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Die

Ich habe gerade eine alte Frau angeschrien. Was erstaunlich gut tat. Macht man ja sonst eher selten. Gut, eigentlich habe ich ihr nur sehr laut eine Frage gestellt. Immer wieder. Bis sie dann sehr wütend – und wütend – in ihrer sehr kleinen Welt verschwand.

Ich habe sie natürlich nicht einfach so zum Spaß angeschrien. Eigentlich kam ich gerade gutgelaunt aus meinem Supermarkt spaziert. Aber dann war da die alte Frau und verwickelte einen jungen Palästinenser mit Fahrrad in ein sehr lautes, aber vor allem sehr einseitiges Gespräch darüber, dass man hier im Bermuda3Eck nicht Fahrrad fahren solle.

So weit, so unwichtig. Menschen streiten sich eben.

Und dann ging die alte Frau von dannen, und hier wird die Sache ein bisschen interessanter, denn sie schabte sich noch einen dieser unfassbar schönen Sätze aus der Energiespar-Seele.

„Die machen hier doch, was sie wollen.“

Huch, dachte ich. Wer sind denn diese „die“, von denen man so viel Schlechtes hört?

Da ich keine Antwort wusste – gab ich die Frage einfach mal spontan an die alte Dame weiter. Über fünf Meter Asphalt hinweg.

„Wer sind denn ‚die?‘“, fragte ich.

Die Dame ging weiter. Aber ich war wirklich, wirklich neugierig. Also fragte ich nochmal.

Das ist ja immer sehr schön. Wenn man so laut fragt, dass sich zehn Leute angesprochen fühlen, auch gerne in der Bäckerei nebenan und oben im zweiten Stock noch, aber eben die eine Person, von der man wirklich dringend etwas wissen möchte – ist leider einfach zu taub. Ist bestimmt das Alter, nahm ich an, und fragte der Höflichkeit halber noch lauter nach, wer ‚die‘ denn nun seien.

Man kann so eine Situation natürlich zu Tode reiten, dachte ich mir. Andererseits hab ich gerade eigentlich auch nix besseres vor.

Wenn Sie also gerade vielleicht ´n kafkaeskes Gespräch brauchen können – ich hätte da eins über.

„Wissen Sie, da vorne steht ein Schild, dass das hier eine Fußgängerzone ist.“

„Wer sind denn ‚die‘?“

„Und einmal, da ist mir meine Brille – fragen sie mal da vorne in der Pinte.“

„Wer sind denn ‚die‘?“

„Ich bin letztens fast umgefahren worden.“

„Wer sind denn ‚die‘?“

„Na, diese…“

„Ja?“

„Wissen Sie, da vorne steht ein Schild. Und letztens, da bin ich fast…“

„Ach so. Aber nicht der Mann gerade, oder?“

„Meine Brille. Da können Sie mal in der Pinte fragen.“

„Nochmal die Frage: wen meinen Sie denn, wenn sie ‚die‘ sagen?“

Wusste die Frau jetzt auch keine Antwort drauf. Also drehte sie sich um und trottelte souverän davon, während sie noch etwas von „im eigenen Land“ vor sich hin dummte.

Da konnte ich nicht anders, als noch einmal schnell meinen inneren Papa zu channeln.

„Sowas will ich hier nicht hören.“

Spannende Erfahrung, so auch mal mit Menschen zu reden, die man a) nicht gezeugt hat und b) doppelt so alt sind, wie man selbst. Kann ich jedem nur empfehlen. Einfach mal ´ne interessierte Frage stellen, weil einem etwas unklar ist. Gerne mehrmals, wenn es sein muss auch lauter. Vielleicht weiß ja einer der Umstehenden die Antwort. Wer sind wir denn, wenn wir uns bei diesen bohrenden Fragen alleine lassen?

Eben.

 

 

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