Allgemein

Halt! Stop! Humorpolizei!

Lieber Sigmar Gabriel,

ich lese erfreut, dass sie gegen eine öffentliche Humorpolizei sind. Wo die SPD sich doch sonst auch mal für durchaus strittige Polizeigesetze stark macht. Kleiner Scherz. Hoffe, jetzt kommt nicht gleich doch noch die Humorpolizei um die Ecke und verhaftet mich.

Ebenfalls löblich: dass Sie Frau Kramp-Karrenbauer so ritterlich beispringen, wenn es um die Verteidigung  ihres Witzes über Intersexuelle geht. War ja schließlich ein Witz! An Karneval. Darf man nicht so eng sehen. Und wer es doch so eng sieht – ist Teil einer „elitären Debatte[…] die weit entfernt von der Lebenswirklichkeit der normalen Menschen sei“.

Gut, dass sie durch die Formulierung intersexuelle Menschen als „unnormal“ bezeichnen – geschenkt. War ja gerade erst Karneval. Da darf man das nicht so eng sehen. Wenn man sich das nur oft genug einredet – stimmt das bestimmt irgendwann.

Ich sollte aber nun langsam mal zum Thema kommen.

Ich weiß nicht, ob Ihnen der Begriff „Zivilcourage“ noch etwas sagt. Das war so eine Phase in Deutschland, wo die Politik dazu aufgerufen hat, aufzustehen und dazwischenzugehen, wenn ein Nazi was Blödes zu einem Türken sagt. Fanden alle super. Wenn man jetzt allerdings aufsteht und dazwischengeht, weil die CDU-Chefin was super beschissenes über Intersexuelle sagt – ist das plötzlich „verkrampft sein“ und „Humorpolizei“?

Das müssten Sie mir erklären, lieber Sigmar Gabriel.

Wird eine Äußerung weniger verurteilenswert, wenn man dabei ein lustiges Hütchen aufhat?

Das wäre ja praktisch. Und ist Zivilcourage plötzlich nicht mehr erwünscht, wenn sie sich nicht mehr nur gegen Nazi-Skinheads wehrt? Ist Empörung über Empörung ein wirklich billiger Trick von Menschen, die geistig ein bisschen unbeweglich geworden sind? So viele Fragen.

Es geht nicht um Witze.

Niemand hat etwas gegen Witze. Auch nicht gegen harte Witze. Die einzige Humorpolizei, die ich weit und breit sehen kann ist allerdings die, die bei Kritik an zweifelhaften Aussagen immer direkt mit Blaulicht vorfährt und über Lautsprecher verkündet, dass Humor nach wie vor nicht verboten würde.

Das Problem ist: darum geht´s ja garnicht.

Wir Männer sollen schließlich auch einschreiten, wenn ein anderer Mann sexistische Kackscheiße von sich gibt. Das kann man als Politik schon mal fordern, das klingt vernünftig. Aber wenn die CDU-Chefin mal wieder ihr homophobes und trans- sowie interfeindliches Weltbild zur Schau stellt – in Deutschland, 2019, nur mal so als Anmerkung nebenbei – und es in bier- und eichentischdekorierter Atmosphäre zu einem flotten Witz fürs Volk verpackt – dann sollte man bloß die Klappe halten, weil es doch in der närrischen Jahreszeit geschieht?

Geil. Meine nächste gefälschte Steuererklärung reiche ich pünktlich zu Karneval ein. Und behaupte dann, sie sei ironisch gemeint gewesen.

Zusammengefasst ist Zivilcourage also tot, wenn keiner einen Baseballschläger dabeihat. Ist notiert.

Machen wir es kurz: die Kritik an Kramp-Karrenbauer einfach so als überempfindliches Mimimi abzutun, weil es eine Problematik außerhalb ihrer Lebensrealität betrifft – halte ich für eine menschliche Bankrotterklärung. Kramp-Karrenbauers Unwillen, ihre Worte als verletzend anzuerkennen und noch ein lapidares „wenn wir keine größeren Probleme haben“ hinterherzuschieben – halte ich für Hybris sondergleichen. Ich hoffe inständig, sie bricht sich das Genick. Also, nur im übertragenen Sinne natürlich. Und selbst wenn nicht: war doch nur ´n Spaß. Wird man doch wohl noch sagen dürfen. Ich hab gerade auch einen lustigen Hut auf. Darauf mein Ehrenwort.

 

 

 

 

 

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert